Freitag, 17. Januar 2014

Einkaufen in Rabat


Dass bei Regen und Dämmerlicht kaum jemand seine Scheinwerfer anmacht und ich auf der Fahrt zum Einkaufen fast nichts sehe; dass ich nur in Zeitlupentempo auf den Parkplatz manövrieren kann, weil rechts in der Einfahrt ein Auto geparkt ist (das kommt schon mal vor, wenn die Leute nicht zu weit laufen wollen) und links eine Reihe von Einkaufswägen abgestellt ist; dass mein Auto alle paar Monate neue Dellen von diesen herrenlos herumtrollenden Einkaufswägen bekommt – geschenkt.

Im Supermarkt stinkt es. Nach Toilette und Fischabfällen. 
Mandarinen kosten umgerechnet 50 Cent das Kilo. 
Ich schiebe unter großer Kraftanstrengung den alten, quietschenden, stetig nach rechts abdriftenden Einkaufwagen durch die schmalen Gänge.

Als ich zur Kasse komme, sehe ich einen vollen Einkaufskorb auf dem Boden, aber weit und breit niemanden, dem er gehören könnte. Nachdem ich alle meine Waren auf das Band gelegt habe, kommt die Dame, die den Korb bestückt, in die Warteschleife vor die Kasse gestellt und dann noch Butter und Milch und Karotten und Fleisch und Nudeln und Paprika geholt hat. Sie kommt geräuschvoll. Rempelt mich 'versehentlich' an. Als ich mich umdrehe, blickt SIE MICH vorwurfsvoll an. Schließlich murmelt sie nachsichtig: "C'est pas grave. Das macht nichts."

Ich wende mich wieder meinem Vordermann zu. Der will gerade bezahlen, muss jedoch feststellen, dass er weder über Bargeld noch über funktionierende Karten verfügt. Das ist ihm aber nicht wirklich unangenehm. Er schäkert ein bisschen mit der Kassiererin, zeigt auf das obere Stockwerk, die Kassiererin nickt. Und dann schlurft er seelenruhig weg, total gechillt, die Waren vor der Kasse belassend, auf der Suche nach einem Geldautomaten. Selbstverständlich kann die Kassiererin nicht den Vorgang abschließen und währenddessen die anderen Kunden bedienen. Also warten. 

Ich schiele nach links. Lohnt es sich, wieder alles einzupacken und mich in die Nachbarschlange einzureihen? Eine Dame von großem Umfang in einer quietschblauen Jellaba packt ruhig einen Artikel nach dem anderen in die dünnen Plastiktüten. Über dieses gemächliche Tempo will ich mich gar nicht mokieren, das habe ich inzwischen zu schätzen gelernt. Wenn ich in Deutschland bei Aldi bin, komme ich mir vor wie eine Vorvorgestrige, aufgescheucht durch das Hypertempo der Jugend, bei dem sie nicht mithalten kann.

Soweit läuft es in der Schlange nebenan also gut. 
Aber halt! 
Die Kassiererin stockt. 
Blickt auf. 
Blickt wieder auf ihre Kasse. Die will nicht mehr. 
Langsam wendet die Kassiererin ihren Kopf wieder nach oben, sieht ihre Kundin an. 
Sieht sich ratlos im Raum um. 
Wendet sich wieder ihrer Kasse zu. 
Starrt sie an. 
Sieht sich wieder im Raum um. Kaugummikauend. Schleichend.
Erklärt der Kundin irgendetwas. 
Steht schließlich langsam auf. 
Brüllt markerschütternd: "M'hammed!!" 
Einige Kassierer heben kurz den Kopf. Aber niemand fühlt sich angesprochen. Nichts passiert. 
Sie setzt sich wieder. 
Wartet, den absplitternden Nagellack auf ihren Fingernägeln betrachtend. 
Es passiert immer noch nichts. 
Ihre Speckrollen zeichnen sich deutlich unter dem alten Kittel ab. Sie ist stark geschminkt, blaue glänzende Augen, rote Lippen. Obwohl sie jung ist, sieht ihr Gesicht schon verbraucht aus. Fleckige Haut, Kuhaugen, schiefe Zähne. 
Es ist faszinierend, wie wenig der Gedanke an die wartende Menge sie erschüttert. Als weder M'hammed noch sonst jemand kommt, um ihr zu helfen, steht sie nach einigen Minuten umständlich auf und wackelt wortlos davon.

Ich weiß nicht, wie es weitergehen wird, denn inzwischen läuft es in meiner Schlange wieder. Ein Dank an die Kasse links für die kurzweilige Unterhaltung in der Wartezeit.

Ich habe alles eingepackt, fahre mit dem Laufband nach oben. Als es zu Ende geht, bekommt die alte Dame vor mir ihren Wagen nicht weg vom Band. Er klemmt, lässt sich nicht schieben. Die Frau hat offenbar das selbe kaputte Wagenmodell wie ich und die Reaktionsgeschwindigkeit der Kassiererin von vorhin. 
Hilflos – und sich der Dringlichkeit der Situation wohl nicht bewusst -, blickt sie sich um. TACK! Da bin ich schon mit meinem Einkaufswagen aufgefahren, die Wägen sind verkeilt. TACK. Die nachkommenden Kunden werden nach oben gespült, jede Sekunde einer mehr. TACK. TACK. Drücken von hinten gegen mich, immer stärker. 
PANIK
Niemand kommt auf die Idee, nach hinten unten auszuweichen. 
Immer mehr Menschen DRÜCKEN, DRÜCKEN. 
Schließlich gelingt es einigen Männern, die ineinander verhakten Wägen zu lösen und so den Pfropfen zu öffnen, die gedrängte Menge löst sich auf. 

Da außer mir niemand aufgewühlt zu sein scheint, stellt sich die Frage: 
Warum klappt das nicht so recht mit mir und dem Fatalismus? 















Donnerstag, 9. Januar 2014

Marrakesch subjektiv

Kasbah Amerdihil, Dades-Tal




This one goes out to Meriem. 

Marokko ist ein tolles Reiseland. 
Das steht nicht im Widerspruch zu dem Umstand, dass ich mich in Rabat langweile. Und dass mir dieses bequeme Leben zuweilen auch gefällt; wenn ich mit Freundinnen bei „Paul“ frühstücke, oder wenn ich die weiche Abenddämmerung in meinem kleinen Schlauchgarten genieße. Manchmal erfasst mich dabei eine diffuse Sehnsucht, immer noch, nach so vielen erfüllten Träumen (Liebe, Reisen, Schreiben). 
Dann zieht es in der Brust, nur weil der Himmel sich blaurosa verfärbt, und die schattenumspielten Palmen und großen Korkeichen auf dem Nachbargrundstück so hübsch anzusehen sind. 
Es ist, als raunte es in den Baumkronen: „Es gibt noch mehr… was weißt du schon…. es gibt noch mehr, dein Herz ist nicht voll; so vieles auch, was du zurückgelassen hast und nie mehr sehen wirst….“  
In Wirklichkeit raunt natürlich niemand, unter den Bäumen patrouillieren nur die Soldaten, die den monströs großen Fuhrpark des Königs bewachen und sich barsche Kommandos zurufen oder unromantisch vor sich hin rotzen.

- Aber ich schweife ab; über das Reiseland Marokko wollte ich schreiben. 
Dem Hohen Atlas kann ich nicht viel abgewinnen, weil er so baumlos, trocken und staubig ist. Manchen gefallen die roten Felsen, die übergehen in rote Erde. Aber ich lebe seit 14 Jahren in Ländern, in denen dichte Wälder eine Seltenheit sind, und meine Augen sehnen sich nach grün. Die Alpen und Voralpen – ein Hit! Kein Vergleich zum Hohen Atlas.

Was bleibt dann noch? Marrakesch. Ist zweifellos polarisierender als die Hauptstadt. Ärmer, dreckiger, lauter, reicher, touristischer, schöner, hässlicher, verdorbener. Energetischer.

Meine erste Reise nach Marrakesch unternahm ich, nachdem wir uns in Rabat eingerichtet hatten und eine Freundin aus Deutschland mich besuchte. 
Sie war beeindruckt, wie gut ich in Rabat zurechtkam, also war es klar, dass ich auch für unseren Marrakesch-Trip souverän alles regeln würde. Die Sorge, ob ich schon bereit dazu war, mit dem Auto nach und durch Marrakesch zu fahren, rutschte demnach weit nach hinten in meinen Kopf. 

Alors: ab hinters Steuer und rein ins Abenteuer. 
Immer schön nach den alten Libyen-Regeln fürs Autofahren: Niemals die Spiegel benutzen. Niemals blinken, nur drängeln. Wer bremst, zeigt nur, was für ein Schisser er ist. Der Größere – also ich – hat Vorfahrt.
Und ganz wichtig: keine Angst. Betrachte es… als ein Spiel.

Ich fuhr also so halsbrecherisch wie nötig und ortsüblich angemessen, und meine Freundin staunte und fotografierte Mopedfahrer, die sich mit Hammel auf dem Rücken durch die Autoreihen schlängelten. Das große muslimische Opferfest stand bevor, und jeder versuchte irgendwie, an ein lebendes Schaf zu kommen und es nach Hause zu transportieren.

Und dann, ta-dam: „der Platz“. Jemaa el-Fna.  
Tja. Es ist immer schwierig, wenn Orte schon hoch gelobt wurden, und, nun ja, ich lese viel, also lese ich auch viel Reiseliteratur.

Es war kein Wow-Erlebnis. Zunächst ist Marrakesch viel touristischer als Rabat, und gerade auf dem Platz der Gehenkten wimmelt es von Ausländern. Von Barbiepuppen in Unterwäsche. Von Individualreisenden, die alle die gleichen Haremshosen, made in India, tragen.
Die gequälten Äffchen, die Kunststücke aufführen, die gequälten Schlangen, die sich schon den ganzen Nachmittag wie im Delirium zur scheppernden Flöten-Trommel-Musik bewegen. 
Gefällt mir nicht. 
Die nicht minder gequält aussehenden Besitzer der Tiere, mit stumpfen Augen, schwarzen Zähnen und wer-weiß-welchen Verdauungsproblemen. Und dann das Gerufe und Gezerre von allen Seiten, selbstverständlich in Deutsch, als ob man mit Gold um sich schmeißen würde.

Magie hat der Jemaa el-Fna dennoch, man muss nur genauer hin- und vom Spam wegsehen. Er ist immer noch vorrangig Unterhaltung für die Einheimischen, die jeden Abend in Massen hinströmen, um sich zu treffen und den Geschichtenerzählern zu lauschen. Die gibt es tatsächlich. Und sie sind ganz und gar nicht touristisch aufbereitet. Wenn man sich so einer Menschenansammlung nähert und versucht, über die Schultern der Anwesenden zu spähen, kann es passieren, dass das verhutzelte, verschmitzt guckende, gestenreich erzählende Männchen in der Mitte plötzlich laut ausruft und auf einen zeigt.
Der will Geld, denke ich vorschnell. 
Aber nein, weit gefehlt, er will mich nur vorführen. Während sich alle Köpfe neugierig nach mir umdrehen, redet er schnell auf mich ein, konsequent nur arabisch. Mein fragendes Gesicht wird umgehend spöttisch kommentiert, er hat alle Lacher auf seiner Seite und die Menge wendet sich wieder von mir ab.
So geht das weiter.
Ein großer Kreis von Menschen um ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem man Flaschen angeln muss. Ein Grüppchen um jugendliche Boxer. Nein, das will ich nicht unterstützen.
Weiter. 
Ein kleiner Kreis, nur Männer, die ruhig den Kopf gesenkt halten. Das wirkt geheimnisvoll. Ich trete näher, sehe seltsame Gegenstände auf dem Boden: ein Straußenei, einen ausgestopften Leguan, Muscheln. Zauberzubehör, wie ich später erfahre.  Der Mann in der Mitte hält die Hände vor der Brust, die Handflächen nach oben. Von den leise gemurmelten Worten kann ich nur „Allah“ und „Bismillah“ verstehen. 
Er betet! Erschrocken weiche ich zurück, ich wollte niemanden stören.

Der Platz ist bezaubernd, rau, echt.  Zeigt etwas von der Textur der marokkanischen Seele, ihrem Aberglauben und ihrem Spieltrieb.

Das war vor über zwei Jahren, seitdem war ich immer wieder da. Mit meiner Mutter und den Kindern, mit meinem Mann und den Kindern, mit einer anderen Freundin, mit dem Zug, alleine mit den Kindern. Eine Freundin, die mich aus Ghana besucht und mit der ich mich fast nur von Dachterrasse zu Dachterrasse bewegt hatte, riet mir, alle 4 Monate nach Marrakesch zu fahren, um mein Reservoir an Inspiration aufzufüllen. Das hab ich nicht geschafft.

Meine Töchter lieben übrigens den Platz. Vor allem die Jüngste, 9 Jahre alt, blond und blauäugig. Sie weiß um ihr Aussehen, ihre Wirkung ist bereits Libyen-erprobt, und sie verlässt sich darauf. Blondie bekommt auf jedem Suq etwas geschenkt, das ist hier nicht anders. Ein kleines Lederkamel, einen aus Holz gedrechselten Anhänger, noch eine Runde beim Flaschenspiel…

Was es sonst noch gibt in Marrakesch? Museen, Koranschulen, Paläste, Saint Laurents Garten, Restaurants in prächtigen Riads. Die Dachterrassen der Restaurants. Kann man, muss man aber nicht gesehen haben. Es ist die Energie der Stadt, die ein Erlebnis ist. Die rohe Härte des Überlebenskampfes, die man ebenso spürt wie die sprühende Lebenslust der Jugend. 

Und die Erfahrung, dass das ganze scheinbare Chaos, dass alle Unordnung einen Sinn ergibt und zielführend ist – diese Erfahrung kann sogar existenziell sein.

Nur die Taxifahrer, die sind wirklich die Pest!




Montag, 6. Januar 2014

Rückkehrer Teil 1: Rabat

Okay. 
Das hier sollte auch ein Nomaden-Rückkehrer-Blog sein. Weil wir, nach 14 Jahren um die Welt tingeln, im Sommer nach Deutschland umziehen werden. 
Und das wird, so befürchte ich, der schlimmste Kulturschock von allen.

Aber  nach dem Heimaturlaub (hört sich an wie Fronturlaub, nicht wahr? Ist aber der Fachbegriff im Behördendeutsch) ist jetzt zunächst mal wieder die Umstellung auf Marokko angesagt. Wobei zwei Wochen bei Muttern in Franken nicht zu vergleichen sind mit Arbeit und Alltag in Berlin. 
Und ich von den zwei Wochen in Deutschland dieses Jahr so gut wie nichts mitbekommen habe, weil ich sie mit der Veröffentlichung und Bewerbung meines Buches zugebracht habe. 
Als ein Freund mich am 26. Dezember im Chat fragte, wie das Fest gewesen sei, schrieb ich verwirrt zurück: welches Fest?

Also, wieder Rabat:  Heimkommen in das schöne geräumige Haus mit großem Wintergarten im Salon und Möbeln in warmen Afrika-Farben. Der Geruch nach Feuchtigkeit und modrigem Holz, der so gar nicht zur Eleganz der Einrichtung passen will. Passt ebenfalls nicht zur Eleganz: die wuchernde Unordnung im ersten Stockwerk. (– Nee, das krieg ich wohl nie in den Griff.)

Feuchtigkeit auch am nächsten Morgen, die Luft von draußen riecht nach Zwiebeln und kalter Waschküche – so, wie es manchmal im Haus nach Pisse riecht. 
Natürlich pinkelt weder jemand auf den Teppich, noch schießt er mit rohem Zwiebelsaft durch den Garten. Das alles macht nur die Feuchtigkeit, die sich überall festsetzt und außer Schimmel die seltsamsten Geruchskreationen hervorbringt. (Unnötig zu erwähnen, dass ich eine sehr feine Nase habe, oder?)

Die Klospülung klemmt. 
Die Lampe im Bad ist kaputt. 
Das war’s dann auch schon. Nicht zu vergleichen mit den kleinen und größeren Katastrophen, die uns in anderen Ländern bei der Heimkehr in unser Haus erwartet hatten.

Mittags kommt dann die Sonne raus, der Himmel lacht hell auf mich herunter, und ich kann mich in eine windstille Ecke der Terrasse setzen. 
Rabat ist schön. 
Aber – und es ist das ABER, das einem über lange Zeit hinweg alles madig macht, das ABER, worauf es letztlich ankommt - es ist recht leidenschaftslos. 
Uninspirierend. 
Die fade Atmosphäre ist das, was die Leute verschweigen, wenn sie auf FB Fotos von sich unter Palmen oder am Strand posten, um Bekannte in Deutschland neidisch zu machen. Sie verschweigen auch die Hundekacke im Sand, die niemand wegräumt, und dass die Strömung so stark ist, dass man nur selten unbesorgt schwimmen kann. Dass es an keinem Strand in der Umgebung von Rabat Umkleidekabinen, Duschen und Toiletten gibt, dafür ab Mai aber ganz viele Menschen.

(An einem verlassenen Traumstrand brauch ich keine Toiletten, aber an einem Strand, den Tausende frequentieren…  – hm, da will ich gar nicht weiter darüber nachdenken.)


Halt, einen hab ich vergessen: es gibt einen Strandclub in Richtung Casablanca, nicht umwerfend schön, aber dafür teuer, wo man sich für 40€ ein Tagesbett mieten kann. Dafür ist die Dusche gratis, die Toiletten auch - was aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass sie sauber sind.

Soviel zur Momentaufnahme Rabat. Nicht umfassend, dafür subjektiv.




Freitag, 3. Januar 2014

Bonjour les nomades (Einführung und Vorstellung)


Hi.

Ich bin Bianca Savcenco, Nomadin aus Überzeugung, Autorin und desperate housewife - obwohl, seitdem ich schreibe und publiziere (
http://www.amazon.de/Sandsturm-Liebesstille-Tripolis-Bianca-Savcenco/dp/1494865467/ref=tmm_pap_title_0?ie=UTF8&qid=1388079394&sr=1-1), sind sowohl die Verzweiflung als auch die Hausfrau verschwunden: die Kinder kommen irgendwie klar, und wenn ihr kreischlautes Sofahopping meinen Schreibflow stört, schließe ich die Tür und begutachte die Schäden später. 

Meine Familie und ich, wir sind echte Nomaden, so wie +Johannes Klaus  sie beschreibt, wenn er beklagt, dass Langzeitreisende sich Nomaden nennen, obwohl sie es strenggenommen nicht sind, weil sie (meistens) irgendwann in ein sesshaftes Leben zurückkehren +Reisedepeschen - Ausgezeichnete Reiseberichte bzw: http://www.reisedepeschen.de/heilsversprechen-digitalen-nomaden/ .


Wir ziehen immer weiter, weil die Arbeit meines Mannes (Auwärtiges Amt) es erfordert, und haben keine Basis in Deutschland. Wenn wir weiterziehen, sind Kinder, Hund und der gesamte Hausstand dabei.


Nun höre ich den Aufschrei: aber ihr habt es ja gut, ihr seid finanziell abgesichert! Das stimmt. Und ohne diesen Pluspunkt würde ich es wohl kaum schon über 14 Jahre mitmachen. Zumindest eine Sicherheit braucht der Mensch. 

Denn abgesehen davon ist es schon beschwerlich, beziehungsweise abenteuerlich, genug. 

Während Traveller aus einem Land, das ihnen nicht zusagt, weiterziehen können, harren wir jahrelang aus. Ich muss nicht nur nach mir gucken, sondern nach dem ganzen Nomadenpaket, das wir mitschleppen. 

Ich muss dem türkischen Klempner in Ankara mit Handzeichen erklären, dass der Keller unter Scheiße steht. (Sein gestenreicher Vorschlag, das Problem in Zukunft zu umgehen: Klopapier in den Mülleimer werfen! Nee, okay, das kann ich machen, wenn ich einige Wochen übers Land reise, aber doch nicht vier Jahre lang in meinem eigenen Haus!) 
Ich muss mit dem kranken Säugling in Asmara abwägen, ob ich zwischen Blut hustenden, tuberkulösen Eriträerinnen auf den Arzt warten oder doch lieber daheim eine Eigendiagnose stellen will - zu der Zeit noch ohne Google, ja ohne Internet!

Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, aber es sollen ja noch Anekdoten für die anderen posts übrig bleiben.... 


Klang das jetzt wie klagen? Ich hoffe doch nicht! Ich liebe diese Art, zu leben! Aber es ist nun mal spannender, über Krisen zu berichten als über Glück, da erschöpft sich die Darstellung schnell - und was wäre z. B. aus "Anna Karenina"geworden, wenn ihr Mann der Scheidung zugestimmt und sie sich glücklich mit ihrem Grafen niedergelassen hätte? --- Seht ihr!